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Die Ritter vom Geiste

Karl Gutzkow: Die Ritter vom Geiste - Kapitel 151
Quellenangabe
typefiction
booktitleDie Ritter vom Geiste
authorKarl Ferdinand Gutzkow
year1998
publisherZweitausendeins
addressFrankfurt am Main
isbn3-86150-278-X
titleDie Ritter vom Geiste
created19990130
sendergerd.bouillon@t-online.de
firstpub1851
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Fränzchen hatte, selbst wenn ihr nicht Louis Armand im Sinne gelegen wäre, ein Grauen vor dem Forsthause. Sie war in ihrer Kindheit, als ihre Ältern, die sie mit den Wandstabler's verwandt machten, gestorben waren, einige Wochen beim Onkel Heunisch, bei ihrem Vaterbruder, gewesen (ihre Mutter war eine Schwester des Wachtmeisters und Haushofmeisters Wandstabler); allein die Ursula Marzahn hatte diesen Besuch offenbar mit scheelem Auge angesehen und hinter zuthunliche Freundlichkeiten manche schlimme Absicht versteckt. Wie oft hatte sie nicht das kleine Mädchen an einen mit schönen gelben Blumen überwucherten Sumpf geführt und ihr gesagt: Hol' einmal ein Büschel Blumen, Fränzchen, ich weiß ein Kunststück und sage dir, wer dein Mann wird! War das kleine Kind dann in den Sumpf bis an die Knie gesunken, so lachte sie und wollte sie nicht wieder herausziehen. Weinte sie dann über ihre beschmuzten Strümpfe, so bot ihr die Alte zwar große Brotschnitte mit Zwetschenmuß und ganz feinem weißen Zucker aus ihrem Geheimschranke darauf, aber einmal, daß sie davon gegessen hatte, war sie so elend krank geworden, daß sie die Schnitte mit dem Zwetschenmuß und dem weißen Zucker aus ihrem Geheimschranke nicht wieder nehmen wollte. Heunisch, der sich überzeugte, daß das Kind in seinem Walde nicht viel lernen und unter der Wunderlichkeit der damals noch rüstigen Ursula leiden würde, nahm sie damals fort und gab sie in die Stadt zu den Wandstabler's, die es freilich so arg mit dem jetzt herangewachsenen Mädchen vorhatten, daß es eines Tages aus dem Pavillon, wo der alte Fürst badete, mit Schaudern entfloh und sich bei den Tischlermeisters Märtens, die ihre Ältern gekannt hatten, einmiethete, um hinfort von ihrer Hände Arbeit zu leben. Heunisch sagte nun zwar, die Ursula wäre alt und zahm und ganz kindisch, aber es graute ihr doch vor dem Gedanken in das Forsthaus zurückzukehren, und als der Onkel gar hören mußte: In deinem Walde, Onkel, sterb' ich! da brach er lieber vorläufig von seinen Vorstellungen ab und beschloß betrübten Herzens und unverrichteter Sache, aber mit Hoffnung auf den Sergeanten nach Hause wieder heimzukehren.

Den Hochmuthsteufel, sagte er sich zum Trost, hab' ich ihr doch vertrieben! Dies Zeugniß, das er sich als Belohnung für seine Reise geben zu dürfen glaubte, bezog sich auf den Fortunaball, über den sich Fränzchen, ihrer Freundin Louise Eisold wegen, nicht völlig zu rechtfertigen wagte und es nun auch nicht mehr nöthig hatte, da Heinrich Sandrart sie eben dort kennen lernte. Noch mehr Hochmuthsteufel lag Heunischen in einem Luxus, der in seinen Augen sehr überflüssig war, in der Erlernung der französischen Sprache. Am Tage nach dem Fortunaball nämlich, wo sie im Gewühl, das nach der gewaltthätigen Scene im Garten entstand, mit Heinrich Sandrart wieder zusammengerieth und endlich nach vier Uhr erst, als Louise den Nachtwandler auffing, mit dieser in einem Wagen nach Hause entkam, den Sandrart bezahlte, war jener Franzose, dessen grüne Brille, großer Schnurrbart, lästiger Husten, auf dem Fortunaballe allgemein aufgefallen war, in ihre Wohnung gekommen und hatte sich als einen Professor Monsieur Sylvester zu erkennen gegeben. Dieser alte Geck war anfangs von einer so auffallenden Zudringlichkeit, daß das junge Mädchen ihm verbot, sich wieder bei ihr sehen zu lassen und Madame Märtens unterstützte diese Weisung ihrerseits mit feinstylisirten Drohungen, die er in seinem gebrochenen Deutsch vergebens zu beschwichtigen suchte. Monsieur Sylvester war bejahrt, verbarg diese Thatsache aber durch Perrücke und mancherlei nur in der Nähe sichtbare Toilettenkünste. Er hatte eine sehr glatte, aber fast leblose Haut. Wenn er mit den scharfen grauen Augen blinzelte, sah man an den Schläfen hundert Falten, die sich bis an die Augenwinkel zogen. Die hervorstehenden Zähne waren offenbar nicht ächt. Seine feine Kleidung verrieth den Mann von Welt und an einschmeichelnden, gewandten Manieren fehlte es ihm sowenig, daß er es wiederholt wagte, sich bei dem jungen hübschen Mädchen, das inzwischen schon von Heinrich Sandrart die ersten Huldigungen empfing, dennoch einzuführen. Er gab vor, eine Bestellung für den Vergolder Louis Armand zu haben und ließ genau von Franziska, die vor ihm zitterte wie vor einem giftigen Basilisken, seine Adresse aufschreiben: Monsieur Sylvester, Königsstraße Nr. 13 im dritten Stock. Er behauptete, bei Armand Aufträge für eine große Herrschaft zu haben. Franziska mochte ihn nicht ansehen, wandte ihm selbst den Rücken, aber sie wurde roth, als Herr Sylvester anfing von Louis Armand zu sprechen und einen langen forschenden Blick auf sie richtete. Ja als er sogar von Armand's Äußerm, seinen Verdiensten und Vorzügen sprach, sogar behauptete, ihn von Ansehen zu kennen und Fränzchens Verlegenheit wuchs, hätte sie im Spiegel bemerken können, daß er eine eigenthümlich überraschte pfiffige Miene machte. Als er gegangen war, fand die Frau Tischlermeisterin den gelehrten Mann doch so übel nicht. Fränzchen aber riß das Fenster auf und meinte, er hätte eine Atmosphäre hinterlassen, daß sie frische Luft schöpfen müsse. Dennoch setzte sie sich an ihren Nähtisch und dachte dem Lobe nach, das Herr Sylvester seinem Landsmann Louis Armand gespendet hatte. Der widerliche Mann erschien ihr bei längerm Nachdenken jetzt schon minder abschreckend und eines Abends, als der »Zufall« wollte, daß Sylvester ihr, wie sie gerade von der Arbeit kam, wieder in den Weg trat, war er so artig, so manierlich, so zuvorkommend, daß sie zwar Anfangs im Gehen nicht inne hielt, nicht unter ihrem zierlichen Strohhütchen, dem ein blaues Band sehr gefällig stand, aufblickte, aber doch zuhörte, was er, wenn ihn der asthmatische Husten nicht plagte, so neben ihr, in seinem gebrochenen Deutsch, hinplauderte. Er erwähnte wieder die großen Talente des jungen Armand, sprach von vielen unverfänglichen Dingen und empfahl sich an der Thür ihres Hauses mit so viel Artigkeit und so wenig aufdringlich, daß sie ihm wenigstens das eine wenn auch kalte Wort: Ich wünsch' Ihnen einen guten Abend gönnte. Mehr hatte sie ihn nicht gesprochen... Oben in ihrem Stübchen fand sie damals einen Brief von Louis. Er schickte ihr jenes Gedicht und bat sie, seiner zu gedenken, so lange ihn ernste Pflichten fern hielten... »Derselbe junge Mann, sagte er in dem Briefe, der schon einmal so freundlich war, an den guten Herrn Märtens einen Auftrag auszurichten, hat mir das beifolgende Gedicht übersetzt, das ich Ihnen widme, meine liebe Franziska! Möge es Ihnen den Trost in Ihrer Einsamkeit gewähren, daß wir Parias der Gesellschaft doch einen stillen Bund geschlossen haben, indem wir für unsere Empfindungen einen gemeinsamen Cultus hegen. Die Reichen und Vornehmen sind nicht so glücklich, sie hassen sich. Wir Armen können uns lieben.«

Das letzte Wort in diesem Briefe entzückte Fränzchen; aber Paria in der Gesellschaft und Cultus?... Das waren zwei Worte, die Franziska selbst mit Hülfe mehrer Jahrgänge des Pfennigmagazins, der ganzen Belesenheit der Tischlerin und selbst mit einer Anfrage bei dem gegenübersitzenden Schneider nicht entziffern konnte und ihr unverständlich waren, wie das Gedicht selbst. Sie empfand nun plötzlich das Bedürfniß einer höheren Bildung. Wer sollte ihr sagen, was ein Paria der Gesellschaft und der Cultus ist? In ihrer nächsten Gedankenreihe fühlte sie, daß es gewiß ein großes Glück wäre, wenn man französisch gelernt hätte und sonderbar! Von dem Augenblicke an bildete sich ihr der Gedanke: Herr Sylvester hat sich so lange nicht sehen lassen, ich möchte ihm wol einmal wieder begegnen! Dies geschah zwei Tage später. Herr Sylvester begegnete ihr nicht nur, sondern er wagte sich sogar noch einmal zur alten Frau Märtens an einem Sonntage, wo er vielleicht wußte, daß diese strengen Sittenrichter in die Kirche gegangen waren. Heinrich Sandrart hatte Parade und Fränzchen that dem Sergeanten nicht den Gefallen in die große Allee zu gehen, wo er stolz mit seiner Gardecompagnie unter Befehl des ihm seit dem Fortunaball nicht besonders gewogenen Lieutenants von Aldenhoven, vor sich einen Flottwitz und hinter sich einen Flottwitz, in dem Bataillon des Majors von Werdeck marschirte... Vergebens sah sich der Sergeant rechts und links um, ob unter den Zuschauern nicht Fränzchens Strohhut mit dem blauen Bande sichtbar wurde. Vergebens hörte er den Lieutenant von Aldenhoven ihm zuraunen: Was gaffen Sie denn, Sandrart?... Der Zorn trieb ihm das Blut in's Gesicht... aber Fränzchen war zu Hause, kümmerte sich nicht um die Parade, nicht um Heinrich Sandrart's goldene Litzen, sie saß unter ihrem gelben kleinen Bibi und knusperte mit ihren weißen Zähnen an den Hanfkörnchen, die der Verschwender über ihr niederfallen ließ. Da trat Herr Sylvester ein, sehr elegant, sehr fein, wie ein vornehmer Herr, der sicher heute noch bei einem Minister speiste. Herr Sylvester sagte, er wollte sich erkundigen, wie es mit seiner Bestellung wäre, der reiche Herr drängte um die Einrahmung seiner Bilder, die große Meisterwerke wären und glänzende Ausstattung verdienten. Fränzchen bedauerte Louis' Abwesenheit, erzählte, daß er sich der Pflege des kranken Fürsten Egon widme, den er von Paris kenne und zeigte sich so im Zuge, so angeregt über Alles, was Louis betraf, daß Herr Sylvester Muth faßte, sich umzusehen und sich sehr beherrschte, nicht wieder in den lüsternen Ton zu fallen, den er, häßlich und widerlich genug, nach dem Fortunaball angestimmt hatte. Das Gespräch kam auf die französische Sprache und Fränzchen erkundigte sich, was ein Paria der Gesellschaft und der Cultus wäre? Cultus, sagte Herr Sylvester und lächelte so stark, daß man an seinen eingesetzten Zähnen fast die feinen Drähte und das künstliche Zahnfleisch sah, Cultus ist die Verehrung, die Liebe ist ein Cultus, meine liebe Franziska, und die Parias sind eine unglückliche Kaste von Menschen in Indien, die arm, elend, verstoßen sind und bleiben, weil sie arm, elend, verstoßen geboren wurden und nichts lernen können. Sind Das einige Erinnerungen aus den Gesprächen mit Louis Armand? Fränzchen erröthete und die Folge der weiteren Forschungen und Schmeicheleien des Herrn Sylvester war die, daß sich der feine Mann erbot, ihr französischen Unterricht zu geben. Als sie, halb erschrocken, halb doch innerlichst erfreut, Anstand nahm und mit lächelndem Scherz auf ihre leere Kasse deutete, wies Herr Sylvester jede Zumuthung an die Voraussetzung eines materiellen Interesses zurück und drängte so lange und so artig, so wirklich gefällig in Franziska, daß es dieser vorkam, als wenn sich die grüne Brille des Fortunaballes niemals in so abschreckender Gestalt, fast wie eine Schlange, ihr offenbart hätte. Sie fand ihn leidlich und ging auf die Vorschläge ein, bei ihm wöchentlich drei Stunden zu nehmen. Sie sagte, sie wollte ihm dafür nähen, was er wünschte; auch Namen zeichnen in Taschentücher oder was er begehre, sie wollte sich ihm dankbar zeigen. Ich will Sie nur gelehrig sehen! sagte Herr Sylvester und schlug vor, die Stunden bei ihm zu nehmen. In der Königsstraße Nr. 13? sagte sie, nein, Das geht nicht! Er wiederholte vergeßlich: Königsstraße?... Sind Sie ausgezogen! fragte sie. Er schien in Verlegenheit und antwortete: Ja wohl, ja wohl! Königsstraße! Franziska meinte nun, die Mühe, zu ihr zu kommen, müsse er sich nicht verdrießen lassen, sonst dürfte sie den Unterricht nicht nehmen. Er versprach diese Bemühung, fürchtete aber, die Wirthsleute seines Zöglings möchten Einsprache thun. Das soll meine Sorge sein! sagte Fränzchen, und richtig, sie wußte den alten Leuten, als sie aus der Kirche kamen und von der Parade noch die Schlußmusik gehört hatten, das Glück der Bildung und geistigen Vervollkommnung so klar und besonders der Tischlermeisterin anschaulich zu machen, daß die Stunden ihren Anfang nahmen. Zwar hatte Fränzchen mit Herrn Sylvester viel auszustehen. Anfangs wollte er durchaus die Verbindungsthür zwischen beiden Zimmern geschlossen wissen, dann, als ihm Fränzchen dies abschlug, wurde er nichtsdestoweniger oft hinter den schützenden Blumen und der rankenden Kresse wieder so unartig wie nach dem Fortunaball. Aber auf ein ernstes: Herr Professor! sammelte er sich und Fränzchen lernte so geschwind ihre Vokabeln, übte sich so fleißig in den Präparationen, daß sie sichtbare Fortschritte machte. Das dauerte vier Wochen, bis Onkel Heunisch kam. Ärgerlich über die Weigerung seiner Nichte, den jungen, hübschen und reichen Sandrart zu heirathen, kam er gerade mit einem Besuche des Herrn Sylvester zusammen, maß diesen Mann von oben bis unten und von unten bis oben, ließ sich Dies und Jenes erzählen, hörte Heinrich's Klagen, daß Fränz zu hoch hinaus wolle, und daß sie mit diesem Sprachmeister in's Gerede komme, und erklärte ihr, als die Stunde vorbei war, daß dies die letzte gewesen wäre. Wie? sagte Fränzchen entrüstet. Heunisch antwortete ruhig: Er dulde diese Ausschweifungen nicht länger! Sie wäre armer Ältern Kind und müsse ihr Brot von anderer Leute Gnade essen... Punktum! Der alte Kerl dürfte hier nicht mehr über die Schwelle kommen.

Franziska war erst fast ergrimmt. Dann aber fügte sie sich und war zuletzt mit diesem Entschluß umsomehr zufrieden, als sie doch von Louis Armand, dem all ihr Mühen und Lernen galt, vergessen zu sein schien. Louis Armand ließ nichts mehr von sich hören. Herr Sylvester kam sehr unregelmäßig, blieb oft nur eine Viertelstunde, und nur, wenn Niemand, außer Fränzchen, zu Hause war, konnte sie ihn nicht wieder fort bringen. Er spottete so boshaft, er wußte so viel zweideutige Anekdoten, er blieb so wenig bei der Sache, daß sie in der That das nächste mal zwar mit einer gewissen Befangenheit, aber doch entschlossen erwiderte, dem Onkel seinen Willen zu thun und ihm sagen zu wollen: Herr Sylvester, ich fühle, daß ich für meine Verhältnisse zu viel Zeit auf eine Sprache verwende, zu deren Benutzung mir mein künftiges Leben keine Gelegenheit bieten wird!

So saß Fränzchen an ihrem Fenster, las in der wehmüthigen Stimmung, die das Lied der armen Frau angeregt hatte, die beiden Gedichte wieder durch und nahm das Einerlei ihrer Arbeit vor...

Der Flickschneider von drüben machte manchmal einen Scherz mit ihr.

Bon jour, Mamselle! rief er nach einiger Zeit. Parlez vous français?

Dabei lachte er, ohne es jedoch so bös mit seinem Spotte zu meinen, wie ihn die alte Märtens, die nebenan eben die Zeitung laut buchstabirte, nahm und sich unterbrach mit den Worten:

Portugal... Dem Heiland sei Dank, daß die Menschen bald nicht mehr solche schändliche Reden hinter uns ehrlichen Leuten werden sagen können!... Schon wieder ein Erdbeben gewesen... Ich begreife nicht, wie Eins dies so lange hat dulden können!... Fünf Häuser sind eingefallen.

Während Fränzchen diese harten von einem portugiesischen Erdbeben unterbrochenen Worte überdachte, verfloß wol eine Viertelstunde und wieder rief der Flickschneider – nach einer Viertelstunde – über den Hof:

Habe ja die Flöduse so lange nicht gehört. Guter Mond du gehst so stille... das ist mein Leibstück, Mamsell!

Frau Märtens mußte wol nebenan durch's Fenster ihm eine Miene des traurigsten Achselzuckens machen; denn ganz laut hörte Fränzchen den Seufzer, der mehr jene Gebehrde begleitete, als den Vorfall, daß in Mexiko eine Bergwerksgrube eingestürzt war und dreizehn Indianer verschüttet hatte.

Die Flöte aber blies Heinrich Sandrart, wenn der junge Soldat von Fränzchen nicht beachtet wurde und wol eine Stunde neben ihr gesessen und kaum ein Wörtlein von ihr vernommen hatte. Dann ging er traurig nebenan und langte sich eine Flöte her, die er bei der Frau Märtens auf der Commode unter den darauf prangenden, großen bunten und vergoldeten Jahrmarkts-Deckelgläsern und einigen lehrreichen Schriften liegen hatte und blies dann so still für sich, aber zur Freude des ganzen Hinterhofes, einfache Volksmelodieen, wie er sie gerade auswendig konnte oder im Ullagrunde von den Knechten seines reichen Vaters hatte singen und jodeln hören.

Die drückende Schwere des Herzens, die Fränzchen durch die halb politischen, halb privaten Seufzer der alten Tischlermeisterin nur noch mehr beängstigte, löste ein Besuch, der rasch und eilig die schmale Treppe fast herauf stürmte. Man hörte das Küchengatter draußen heftig öffnen und noch heftiger zufallen.

Ist Fränzchen zu Hause? rief eine weibliche Stimme im Eintreten und schon war der Besuch durch die größere Stube hindurch in Fränzchens Kammer getreten.

Es war Louise Eisold.

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