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Die Ritter vom Geiste

Karl Gutzkow: Die Ritter vom Geiste - Kapitel 39
Quellenangabe
typefiction
booktitleDie Ritter vom Geiste
authorKarl Ferdinand Gutzkow
year1998
publisherZweitausendeins
addressFrankfurt am Main
isbn3-86150-278-X
titleDie Ritter vom Geiste
created19990130
sendergerd.bouillon@t-online.de
firstpub1851
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Zweites Capitel.

Selmar Ackermann.

Als Dankmar zwar in aller Frühe aber doch wiederum wahrnahm, daß Niemand sich nach ihm erkundigte, der Prinz und Hackert wirklich verschwunden waren, wollte er noch einmal zur Schmiede gehen und vor seiner Abreise von dem alten und jungen Zeck, die ihm doch ein gar sonderbares Paar schienen, prüfenden Abschied nehmen.

Bello begleitete ihn. Das kranke und sonst so schweigsame Thier wurde an der Schmiede sogleich wieder unruhig und gerieth in sein schon bezeichnetes, dem alten Schmied so widerwärtiges Kläffen und Bellen.

Es schien ihm schon von Ferne ziemlich lebendig unter und vor dem Dache der Schmiede. Da standen Wagen und Pferde, die die Hülfe dieser Dorfvulkaniden in Anspruch nahmen. Bauernbursche, herrschaftliche Stallknechte, auch einer von Lasally's Jokeys, der die »quihnende Laura« eben wieder in die Ställe des Schlosses zurückführte. Näher gekommen, merkte er, daß die meisten der hier Haltenden ungeduldig waren, lärmten und abgefertigt sein wollten. Aber nur der junge Zeck war zugegen und nahm in Ruhe, da er die Flüche nicht hörte, eine Arbeit nach der andern vor. Die Lärmenden mußten sich gedulden und zerstreuten sich durch Possen, die, seit sie Dankmar hörte, nur ausgelassener wurden; denn die Menschen sind geborene Schauspieler und werden, beobachtet, im Guten und Schlimmen nur rührsamer.

Bello sprang zwischen diesen Tumult mitten hinein und stöberte einen Flüchtling auf, dem seine Lebhaftigkeit doch bedenklich vorkam. Es war dies der junge Ackermann, der an der Schmiede unter ihrem von zwei Holzsäulen getragenen Vorbau dem Hufbeschlag zugeschaut hatte. Als die Reden der Bauernbursche zu derb wurden – sie kamen meist aus dem Ullagrunde, besonders vom reichen Bauer Sandrart – wandte er sich schon dem grünen Rasen zu, der rechts vom Hause lag und mit Obstbäumen bepflanzt war. Dort witterte ihn Bello und beängstigte ihn.

Dankmar sah schon längere Zeit, wie der Knabe, der ihm denselben gefälligen Eindruck wie gestern machte, auch einer alten Magd zuschaute, die zwischen den Obstbäumen eine Leine zog, um auf ihr Wäsche zu trocknen, und ihr allerhand Antworten abzugewinnen suchte. Doch ein weichliches Ding! sagte er sich. Was nimmt er an der Wäsche für einen unmännlichen Antheil! Wie er die Sacktücher mustert! Ich will glauben, er ist nur neugierig und will die Buchstaben lesen, mit denen sie gezeichnet sind.

Bello hatte es vielleicht eigentlich nur auf die Alte abgesehen und erschreckte nur zufällig auch den Knaben. Dankmar bedeutete ihm Ruhe, trat dem Rasen und den Obstbäumen näher und knüpfte mit dem jungen erröthenden Amerikaner ein Gespräch an.

Wo ist dein Vater, Kleiner? fragte Dankmar mit einer Stimme, die ihm selber komisch vorkam, denn er suchte ihr den Ausdruck des Holden zu geben, weil sie Holdes anredete...

Oben bei dem Schmied! war die schüchterne, verlegene Antwort; ich erwarte ihn hier.

In der That war das Feuer in der Esse am Verglimmen. Ein Eisen auf dem Ambos verglühte. Die Geräthschaften lagen alle so durcheinander, als wenn sie eben Einer im Nu weggeworfen hätte. Der junge Zeck konnte die Arbeit kaum allein zwingen...

Wie gefiel es dir gestern auf dem Schlosse oben? sagte Dankmar, um sein Gespräch nicht sogleich wieder abzubrechen.

Mir weit besser als dem Vater! sagte der Knabe.

Der hat freilich wol schon Vieles gesehen, was schöner ist, entgegnete Dankmar. Ihr kommt ja weit her?

Von Amerika, sagte der Knabe, und setzte nach einigem Besinnen hinzu: Aus Missouri.

Aus Missouri! Ja, ja! Man erzählte mir's schon in der Krone, bemerkte Dankmar. Da seid ihr wol nur zum Besuche hier und werdet gewiß wieder übers Meer zurückwollen?

Das wissen wir selbst noch nicht, erwiderte der Knabe. Wenn es dem Vater wieder in Deutschland gefällt, bleiben wir; wo nicht, kehren wir nach Columbia am Missouri zurück, wo wir gewohnt haben.

Nach Columbia! Am Missouri!..... sagte Dankmar herzlich; so will ich wünschen, daß euch Alles hier erfreuen und befriedigen möge, damit wir nicht nur gute Menschen an Amerika verlieren, sondern deren auch welche von da wieder herübergewinnen.

Der Knabe schlug zerstreut mit seinem Stöckchen auf einige hochstehende Grashalme.....

Dankmar fühlte, daß ein längeres Gespräch mit dem schüchternen und bescheiden die Augen niederschlagenden Kinde es ängstigen würde und brach, wenn auch ungern, seine Unterredung ab. Er konnte nicht umhin, dem Knaben flüchtig die erröthenden Wangen zu streicheln, worauf dieser vollends feuerroth wurde und sich geängstigt abwandte.

Dankmar nickte noch einmal und wandte sich links zur Schmiede. Ein Wagen fuhr eben davon. Zwei Pferde, hinten angebunden, hüpften ihm, mit neuen Hufeisen beschlagen, lustig nach. Lasally's Jokey war gleichfalls verschwunden. Nur noch ein Reitknecht hielt den Huf eines Gaules, dem der junge Zeck, in Hemdärmeln, ganz schwarz berußt, die Hornhaut vom Hufe abstach. Dankmar sah eine Weile zu. Der junge Zeck grüßte flüchtig und eilte sich in der Arbeit, was er nur konnte. Der junge Ackermann hielt sich inzwischen in der Ferne auf dem Rasen und schien sich mit Bello ausgesöhnt zu haben. Kaum hatte sich Dankmar wieder nach ihm umgesehen, war auch die letzte Arbeit in der Schmiede verrichtet. Der Knecht bezahlte und eilte mit seinem Pferde davon. Der junge Zeck verschwand in dem innern kohlengeschwärzten Hause.

Dankmar beschloß, sich dem blinden Alten vor seiner Abreise doch noch einmal zu empfehlen. So folgte er in die dunkle leere Werkstatt und sah eine kleine schmale Treppe, die oben in die Wohnung des Schmieds führte. Er trat behutsam auf. Die Nachwirkung des Eindrucks, den der Knabe in seiner Sanftmuth auf ihn gemacht hatte, ließ ihn leiser auftreten, als er sonst würde gegangen sein. Man hörte ihn nicht. Wie erstaunte er daher, als er unerwartet oben, eine Thürklinke niederdrückend und in ein niedriges Gemach eintretend, den blinden Zeck eben im Begriffe fand, einen ganzen Tisch voll flimmernder, hellblitzender Goldstücke einzustreichen! Der taube Sohn stand gierig gaffend daneben und der Amerikaner wollte eben gehen....

Wer da? rief der Blinde mit Heftigkeit, als er sich so plötzlich überrascht fand. Sein sonst so feines Gehör mußte ihn bei dem Fühlen und Tasten nach den schweren Goldstücken verlassen haben, sonst würde ihm wol schwerlich das wenn noch so stille Hinaufsteigen Dankmar's entgangen sein....

Beruhigt Euch! sagte Dankmar. Ich wünsch' Euch alles Glück, wenn Ihr in der Lotterie gewonnen oder eine Erbschaft gemacht habt. Ich wollt' Euch nur sagen, daß ich aufbreche und wenn Ihr an den Fuhrmann Peters etwas zu bestellen habt –

Nichts! Nichts! Was Peters! Herr! polterte der Blinde grob und unhöflich. Seit dem plötzlichen Reichthum schien er auch schon alle Fehler der Reichen bekommen zu haben. Sein Zorn erinnerte Dankmarn an die Bosheit, mit der er heimlich gestern den vorlauten Bello hatte niedertreten wollen. Der Alte hatte sein schon halb lose hängendes Schurzfell rasch abgebunden und es wie zum Schutz auf den Tisch so geschwind gebreitet, daß einige Goldstücke auf die Erde rollten. Der Blinde tastete, der Taube kroch nach den rollenden Friedrichsd'oren mit der Gier einer Katze. Es war ein häßlicher, ängstlicher Anblick....

Dankmar hatte schon die Thür in der Hand und entfernte sich, den feinlächelnden Amerikaner flüchtig grüßend, mit den Worten:

Ich sehe, daß ich störe. Genießt Euer Glück in Frieden! Lebt wohl!

Damit kletterte er getrost die Hühnersteige wieder hinunter zu Bello und dem Knaben, der inzwischen draußen im Vorbau der Schmiede auf einen dreibeinigen Schemel sich niedergesetzt hatte und dem Hund, der sich ihm jetzt nach Entfernung der garstigen Magd, die hinten an einem Ziehbrunnen wusch, traulicher anschmiegte, nach seinem traurigen Schaden sahe....

Wetter! sagte Dankmar aufgeregt zu dem Knaben, wenn ich gewußt hätte, daß dein Vater oben Geldgeschäfte mit dem impertinenten alten Schmied hat, würde ich mich wol gehütet haben, ihn zu stören....

Es ist eine Erbschaft, sagte der Knabe, die ihm der Vater aus Amerika mitbringt.

Eine Erbschaft! Und das so aus freier Hand, ohne gerichtliche Vermittlung? Erbschaften sollen nur durch die Behörden gehen. Verstehst du etwas vom Recht?

Der Knabe schüttelte den Kopf.

Dankmar bemerkte mit Wohlgefallen die langen seidnen Wimpern des braunen Auges, die der kleine Amerikaner niederschlug, ohne eine gewisse Pfiffigkeit und Schlauheit verbergen zu können, die hinter seiner Scheu verborgen lag.

Ihr wißt von unserm Amtswesen und unsrer Federfuchserei nicht viel? sagte Dankmar, um sich von dem unangenehmen Eindruck, den ihm der oben erlebte Augenblick hinterlassen, zu zerstreuen.

Doch, Herr, antwortete der Knabe und stemmte den einen Fuß wie spielend rückwärts an ein zerbrochenes Rad; doch! doch! Der Vater hat sich freilich gestern nach dem Schmied und seiner Schwester erkundigt und sich nachschlagen lassen, was man auf dem Amt von ihnen weiß und da er fand, daß es die Richtigen sind, denen er das Geld zu bringen hat, so hat er's ihnen nun wol oben gegeben. Es war uns schwer genug. Um den Leuten Freude zu machen, wechselte er das Papier in pures blankes Gold.

Die Schwester des Schmieds? wiederholte Dankmar, erfreut durch die ermuthigte und gesammelte Antwort und den gutmüthigen Zug des Vaters. Also eine Schwester hat der Schmied? Er ist blind, sein Sohn taub, was muß da wol die Schwester für ein Gebrechen haben?

Das Alter, hör' ich; sagte der Knabe lächelnd.

Das Alter!.... wiederholte Dankmar.

Die Antwort gefiel ihm. Er schaute ganz betroffen auf, vergrößerte die Augen und hätte fast Brav, mein Junge! gesagt.

Der Knabe aber, seine angenehme Erregung übersehend, fuhr harmlos fort:

Sie sollte erst in die Schmiede kommen, daß wir ihr hier ihren Antheil auch auszahlten und das schwere Geld loswürden. Aber sie soll seit Jahren ein Gelübde gethan haben, nicht weit vor die Thür zu gehen und so müssen wir ihr's nun wol selbst bringen.....

In diesem Augenblick rief vom Innern der Schmiede her eine starke sonore Stimme:

Selmar!

Dem nun aufspringenden Knaben trat sein Vater entgegen. Wie dieser Dankmarn erblickte, sagte er freundlich:

Sie waren sehr rücksichtsvoll, mein Herr! Wie rasch Sie sich entfernten! Ja, ja! Der Blinde oben ist außer sich, daß Sie uns da so plötzlich überrascht haben. Diese Leute wollen um jeden Preis etwas besitzen, es aber um's Himmelswillen Niemanden sehen lassen.

Er kann schon sicher sein, sagte Dankmar, daß ich weder, was ich sah, noch was mir mein kleiner Freund Selmar erzählte, ausplaudern werde.....

Dankmar benutzte die Gelegenheit, zu bemerken, daß er endlich den Namen des jungen Ackermann erobert hätte.

»Freund Selmar!« »Ausplaudern!« Diese Worte schienen einen Eindruck auf den Vater zu machen. Er warf einen eigenen verlegenen Blick auf sein Kind.

Selmar faßte ihn unterm Arm. Beide schickten sich an die Schmiede zu verlassen.

Sie kommen aus Amerika! sagte Dankmar, sich anschließend und die fortdauernde Verlegenheit des Vaters nicht bemerkend. Sind die Amerikaner denn auch so wunderlich in Geiz, Habsucht und Verstellung und unsern andern versteckten europäischen Lastern?

Ackermann antwortete im Gehen lächelnd:

Der Amerikaner trägt gern offen zur Schau, was er besitzt, prahlt auch wol ein wenig.... aber die schnöde Furcht des Besitzes ist selten. Findet sich dies Laster, so ist es aus Europa mit hinübergebracht.

Wie bei Morton? Nicht wahr? sagte Selmar.

Dem Vater schien Selmar fast mit Dankmarn schon zu vertraut geworden. Er blickte Dankmarn wiederholt an und schien sich zu überlegen, ob sein Sohn gut gethan hätte, sich dem jungen Fremden schon so weit zu vertrauen, daß er von einem gewissen Morton sprach.....

Morton? wiederholte er und schwieg.

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