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Tausend und eine Nacht. Band V

Max Henning: Tausend und eine Nacht. Band V - Kapitel 27
Quellenangabe
type
authorUnbekannte Autoren
titleTausend und eine Nacht. Band V
publisherVerlag von Philipp Reclam jun.
yearo.J.
firstpub1895
translatorMax Henning
correctorJosef Muehlgassner
senderwww.gaga.net
created20150411
projectidbbb389ae
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Hundertundeinundsiebzigste Nacht.

Doch sprach er in seiner großen Liebe zu ihm nicht weiter hierüber und zürnte ihm auch nicht, sondern zeigte sich freundlich und gütig zu ihm und behandelte ihn mit aller Liebe, die nur ein Herz gewinnen konnte, während Kamar es-Samâns Schönheit, Anmut, Eleganz und Grazie von Tag zu Tag zunahmen. So geduldete sich der König Schahrimân mit seinem Sohne ein volles Jahr, bis er vollkommen geworden war in der Kunst der Rede und in Schönheit, und alle Welt von seiner Schönheit bezaubert wurde; jedes sanfte Lüftchen kündete nun von seiner Holdseligkeit, und er war eine Verführung für alle Liebenden geworden, und eine blühende Aue für die Sehnsuchtsentflammten; seine Rede war süß, sein Antlitz beschämte den Vollmond, und sein Wuchs und Ebenmaß, seine Eleganz und Grazie waren vollkommen, daß er war wie der Zweig des Bân oder der Schaft des Bambus; seine Wange stand ein für die Noomânsanemonen, sein Wuchs für den Zweig des Bân, und sein Wesen war voll Grazie, wie der Dichter sagt:

Er erschien, und da hieß es: Gesegnet sei Gott,
Ihm sei die Ehre, der ihn geformt und gebildet!
König ist er aller Schönen allzumal,
Sie alle sind unterthan ihm geworden.
Sein Speichel ist süß wie geschmolzener Seim,
Und seine Zähne sind Perlen aus einer Schnur.
In ihm allein ist aller Schönheit Vollkommenheit,
Und alle Welt verirrt sich in seinen Reizen.
Auf seine Wange hat die Schönheit geschrieben:
Ich bezeug's, holdselig ist keiner denn er allein. Eine Anspielung auf das Bekenntnis: Ich bezeug's, es ist kein Gott etc..

Als nun der Prinz Kamar es-Samân ein weiteres Jahr vollendet hatte, rief ihn sein Vater, der König Schahrimân, zu sich und sagte zu ihm: »Mein Sohn, willst du mir nicht gehorchen?« Da sank Kamar es-Samân vor seinem Vater in Ehrfurcht und Bescheidenheit zu Boden und erwiderte: »Mein Vater, wie sollte ich dir nicht gehorchen, wo Gott mir befohlen hat, dir gehorsam zu sein und deinem Befehle nicht zu widersprechen?« Und der König Schahrimân sagte nun zu ihm: »Wisse, mein Sohn, ich will dich vermählen und noch bei Lebzeiten meine Freude an dir haben und dich zum Sultan über mein Reich vor meinem Tode einsetzen.« Als Kamar es-Samân von seinem Vater diese Worte vernahm, senkte er sein Haupt eine Weile zu Boden; dann aber hob er es wieder und sagte: »Mein Vater, das thue ich nimmermehr und sollte ich den Becher des Todes trinken müssen. Wohl weiß ich, daß Gott mir geboten hat dir gehorsam zu sein, aber bei Gott beschwöre ich dich, belästige mich nicht mit dem Heiraten und glaube nicht, daß ich mich in meinem ganzen Leben je vermähle, denn ich habe in den Büchern der Alten und Neuen gelesen und kenne all das Unglück und Mißgeschick, das ihnen durch die Verführung und die endlosen Ränke der Weiber zugestoßen ist, und all das Unheil, das sie angestiftet haben. Wie schön sagt doch der Dichter:

Wen je die Falschen gefangen haben, der findet kein Entrinnen.
Und wollt' er auch tausend Burgen mit bleiernen Panzern bauen,
Ihre Erbauung nützte ihm nichts, und die Kastelle wären vergeblich.
Die Weiber sind voll Falsch gegen jeden, ob fern ob nahe,
Die Finger färben sie sich und flechten Bänder in ihre Zöpfe,
Die Wimpern schminken sie sich und reichen einem den Tod zu schlucken.

Als der König Schahrimân diese Worte von seinem Sohne vernahm und den Inhalt der Verse begriff, gab er ihm in seiner großen Liebe keine Antwort hierauf, sondern war noch huldvoller und gütiger zu ihm. Jene Sitzung ward aber unverzüglich beendet, und der König Schahrimân berief nach Schluß derselben seinen Wesir zu sich und sprach zu ihm vertraulich: »Wesir, –

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