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Tausend und eine Nacht. Band V

Max Henning: Tausend und eine Nacht. Band V - Kapitel 50
Quellenangabe
type
authorUnbekannte Autoren
titleTausend und eine Nacht. Band V
publisherVerlag von Philipp Reclam jun.
yearo.J.
firstpub1895
translatorMax Henning
correctorJosef Muehlgassner
senderwww.gaga.net
created20150411
projectidbbb389ae
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Hundertundvierundneunzigste Nacht.

Die Herrin Budûr erwiderte ihm nun: »Mein Bruder, vernimm meine Geschichte. Ich erwachte eines Nachts aus dem Schlaf in dem letzten Drittel der Nacht, und richtete mich auf; da sah ich an meiner Seite den schönsten Jüngling, den es giebt, den die Zunge zu beschreiben nicht imstande ist, gleichend einem Zweige des Bân oder einem Bambusrohr. Ich vermeinte, mein Vater hätte ihm das befohlen, um mich mit ihm auf die Probe zu stellen, da er mich, nachdem sich die Könige bei ihm um mich beworben hatten, verheiraten wollte, und ich mich dessen geweigert hatte. Dieser Gedanke war es auch, der mich abhielt ihn zu wecken, da ich fürchtete, daß, wenn ich ihn umarmte, er es meinem Vater mitteilen würde. Am Morgen fand ich dann seinen Siegelring an Stelle des meinigen an meiner Hand. Das ist meine Geschichte. Seit jener Stunde aber, da ich ihn sah, hängt mein Herz an ihm, mein Bruder, und wegen meiner großen Liebe und Sehnsucht kostete ich nimmer die Speise des Schlafes und hab ich kein andres Geschäft als Ströme von Thränen zu vergießen und Nacht und Tag in Versen mein Leid zu klagen. Schau nun, mein Bruder, wie du mir in meinem Leid helfen kannst.«

Marsawân senkte hierauf verwundert sein Haupt eine Weile zu Boden, da er nicht wußte, was er thun sollte. Dann aber hob er wieder das Haupt und sagte: »Alles, was dir widerfahren ist, ist wahr; wohl ermüdet die Geschichte mit diesem Jüngling meine Gedanken, doch will ich alle Länder durchziehen und nach deinem Heilmittel suchen, vielleicht läßt Gott dich durch meine Hand gesund werden. Fasse dich nur in Geduld und ängstige dich nicht.« Hierauf verabschiedete sich Marsawân von ihr, und verließ sie, indem er ihr von Gott Standhaftigkeit erflehte. Nachdem er dann im Hause seiner Mutter die Nacht zugebracht hatte, machte er sich reisefertig und begab sich auf den Weg, indem er unablässig von Stadt zu Stadt und von Insel zu Insel einen vollen Monat lang reiste, bis er zu einer Stadt, Namens Et-Tîrab gelangte und Erkundigungen bei den Leuten einzog, um möglichenfalls das Heilmittel für die Königin Budûr zu finden. So oft er bisher in eine Stadt gekommen oder an einer Stadt vorübergezogen war, hatte er gehört, daß die Königin Budûr, die Tochter des Königs El-Ghajûr verrückt geworden wäre; als er nun aber nach der Stadt Et-Tîrab kam, vernahm er, daß Kamar es-Samân, der Sohn des Königs Schahrimân, krank sei, und daß er geistesgestört und verrückt geworden wäre.

Als Marsawân dies vernahm, fragte er einige von den Leuten jener Stadt nach Kamar es-Samâns Land und seiner Residenz, und man sagte ihm: »Das sind die Inseln Châlidân, die von uns einen vollen Monatsweg zu Wasser oder sechs Monate zu Land entfernt liegen.« Da stieg Marsawân in ein Schiff, welches gerade zur Reise nach den Inseln Chalidân gerüstet war, und segelte mit günstigem Winde einen Monat lang, bis schon die Stadt vor ihnen sichtbar wurde. Als sie aber nahe an sie herangekommen waren, und ihnen nichts mehr übrig blieb als an den Strand zu gelangen, brach ein Sturm gegen sie los und warf die Segelstange um, so daß die Segel ins Meer fielen, und das Schiff mit seinem ganzen Inhalt umgekehrt wurde.

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