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Tausend und eine Nacht. Band V

Max Henning: Tausend und eine Nacht. Band V - Kapitel 67
Quellenangabe
type
authorUnbekannte Autoren
titleTausend und eine Nacht. Band V
publisherVerlag von Philipp Reclam jun.
yearo.J.
firstpub1895
translatorMax Henning
correctorJosef Muehlgassner
senderwww.gaga.net
created20150411
projectidbbb389ae
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Zweihundertundelfte Nacht.

Aufs äußerste hierüber verwundert, empfand die Herrin Hajât en-Nufûs mit der Herrin Budûr Mitleid, so daß sie für ihre Vereinigung mit ihrem Geliebten Kamar es-Samân betete und zu ihr sagte: »Meine Herrin, sei unbesorgt und fürchte dich nicht; gedulde dich nur, bis Gott beschließt, was geschehen muß, der Edeln Brust ist das Grab der Geheimnisse, ich werde dein Geheimnis nicht aufdecken.« Hierauf tändelten beide miteinander, umarmten sich und schliefen bis nahe zur Zeit des Azâns. Bei Anbruch des Tages erhob sich dann die Königin Budûr und begab sich, nachdem sie sich im Warmbad gewaschen und das Morgengebet verrichtet hatte, wieder zur Regierungshalle, wo sie sich auf den Thron des Königreiches setzte und Recht sprach, während die Herrin Hajât en-Nufûs dem König Armanûs guten Bescheid brachte, so daß dieser erfreut Festgelage veranstaltete.

Soviel was die beiden anlangt; was nun aber den König Schahrimân betrifft, so wartete derselbe, nachdem sein Sohn mit Marsawân, wie oben erzählt, auf die Jagd ausgezogen war, bis die Nacht anbrach. Als aber sein Sohn nicht zurückkehrte, wurde er bestürzt und fand die Nacht über keinen Schlaf. Seine Unruhe quälte ihn aufs schwerste, seine Erregung und seine brennende Angst wuchs, und kaum konnte er den Anbruch der Morgenröte erwarten. Bis zum Mittag wartete er noch auf seinen Sohn, dann aber, als er auch jetzt noch nicht zurückgekehrt war, ahnte sein Herz die Trennung; er entbrannte in Besorgnis um seinen Sohn, weinte, bis seine Kleider von den Thränen naß geworden waren, und klagte aus zerrissenem Herzen den Vers:

»Gelobt hatte die Zeit uns voneinander zu trennen,
Und nun hat die Zeit ihr Gelöbnis erfüllt.«

Hierauf wischte er sich die Thränen ab und ließ durch einen Herold den Truppen ansagen sich marschbereit zu machen und sich zu einer langen Reise zu beeilen. Das ganze Heer setzte sich dann auf, und der Sultan zog, entbrannt in seinem Herzen um seinen Sohn Kamar es-Samân und von Trauer erfüllt, aus. Nachdem er sein Heer in sechs Abteilungen, je eine zur Rechten und Linken, Die beiden mittleren Abteilungen, die er selber führt, werden nicht erwähnt. vorn und hinten, geteilt hatte, sagte er zu ihnen: »Morgen treffen wir bei dem Scheideweg wieder zusammen. Die Truppen trennten sich nun, wie beschrieben, und die Reiter ritten den ganzen Tag über, bis die Nacht dunkelte, und die Nacht hindurch bis zum nächsten Mittag, bis sie zum Scheideweg gelangten, wo sich der Weg nach vier Richtungen teilte, so daß sie nicht wußten, wie sie weiter ziehen sollten, als sie hier mit einem Male die Spuren von zerrissenen Sachen sahen, die Fleischstücke und Blutspuren fanden, und jeden verstreuten Kleider- und Fleischfetzen gewahrten. Bei diesem Anblick stieß der König Schahrimân einen lauten Schrei aus tiefstem Herzensgrund aus und rief: »Ach, mein Sohn!« dann schlug er sich ins Gesicht, riß sich den Bart aus, zerriß seine Kleider und glaubte fest an den Tod seines Sohnes. Er weinte und stöhnte so bitterlich, daß das ganze Heer mit ihm weinte, und alle, in dem gleichen Glauben, daß Kamar es-Samân umgekommen sei, sich Erde aufs Haupt streuten und bis zur Nacht weinten und stöhnten, so daß sie dem Tode nahe waren. Alsdann kehrte der König mit dem Heere wieder nach seiner Stadt zurück.

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