type | tragedy |
booktitle | Das Leben und der Tod des Königs Lear |
author | William Shakespeare |
translator | Christoph Martin Wieland |
year | 1993 |
publisher | Haffmans Verlag |
address | Zürich |
isbn | 3-251-20138-7 |
title | Das Leben und der Tod des Königs Lear |
pages | 3-183 |
sender | gerd.bouillon@t-online.de |
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Dritter Auftritt.
Gloster und Bediente mit Fakeln.
Gloster. Nun, Edmund, wo ist der Bösewicht?
Edmund. Hier stund er im Finstern, sein blosses Schwerdt in der Hand, und murmelte verfluchte Zauberwörter um den Mond zu beschwören, seinem Vorhaben günstig zu seyn – –
Gloster. Aber wo ist er dann?
Edmund. Sehen Sie, Mylord, ich blute.
Gloster. Wo ist der Bösewicht, Edmund?
Edmund. Dahinaus floh' er, Mylord, wie er sahe daß es unmöglich war – –
Gloster. Verfolgt ihn, fort, sezt ihm nach! – – daß es unmöglich war – – Was?
Edmund. Mich zu bereden, Euer Gnaden zu ermorden; sondern ich ihm entgegen hielt, daß die rächenden Götter alle ihre Donnerkeile auf Vatermörder schiessen, und mit wie vielen und grossen Pflichten ein Sohn seinem Vater verbunden sey – – Kurz, Mylord, da er sah' wie sehr ich seinem unnatürlichen Vorhaben entgegenstund, fiel er mich in gröster Wuth an, da ich mich nichts weniger versah', und verwundete mich am Arm; wie er aber merkte, daß meine billig aufgebrachte Lebensgeister, kühn auf die Gerechtigkeit meiner Sache, sich seinem Angriff entgegensezten, oder vielleicht weil ihn der Lerm den ich machte, erschrekte, floh' er plözlich davon.
Gloster. Laßt ihn fliehen: in diesem Land kan er nicht bleiben, ohne gefangen zu werden, und nicht gefangen werden, ohne seinen Lohn zu bekommen. Der Herzog, mein Herr, mein würdiger Gebieter und Gönner, kommt diese Nacht; unter seinem Namen, will ich ausruffen lassen, daß derjenige, der ihn findet, und den meuchelmördrischen Buben zu seiner Straffe einliefert, unsern Dank, und wer ihn verbirgt, den Tod zum Lohn haben soll.
Edmund. Als ich ihn von seinem Vorhaben abmahnte, und ihn so entschlossen fand, es zu vollbringen, drohte ich ihm zulezt mit heftigen Ausdrüken ihn zu verrathen – – Du unverständiger Bastard, antwortete er mir, meynst du wenn ich gegen dir stünde, irgend eine Meynung, die man von deiner Treue, Tugend oder Rechtschaffenheit gefaßt haben kan, würde deinen Worten Glauben verschaffen, wenn ich läugne, wie ich thun werde, und wenn du auch meine eigne Handschrift aufweisen würdest! Ich wollte machen, daß alles deinem Antrieb, deinen geheimen Absichten und verdammten Ränken beygemessen würde; und du müßtest einen Dummkopf aus der Welt machen, wenn sie nicht denken sollte, die Vortheile die du von meinem Tode hättest, seyen stark genug dich anzuspornen, ihn zu suchen.
Gloster. O! unerhörter verhärtetet Bösewicht! – – Er wollte seinen Brief ableugnen? – – Nein, ich hab ihn nicht gezeugt. – – Höre, des Herzogs Trompeten! Ich weiß nicht warum er kömmt – – Alle Häven will ich sperren – – Der Lasterbube soll nicht entrinnen – – Das muß mir der Herzog bewilligen; auch will ich sein Bildniß allenthalben umherschiken, damit das ganze Königreich die nöthige Kenntniß von ihm habe; und von allen meinen Ländereyen, will ich dich, mein getreuer und natürlicher Sohn, erbfähig zu machen wissen.