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Visionen und andere phantastische Erzählungen

Ivan Sergejevich Turgenev: Visionen und andere phantastische Erzählungen - Kapitel 45
Quellenangabe
typenarrative
authorIwan Turgenjew
titleVisionen und andere phantastische Erzählungen
publisherGustav Kiepenheuer Verlag
addressWeimar
printrun6. bis 10. Tausend
year1917
firstpub1917
translatorAlexander Eliasberg
correctorhille@abc.de
secondcorrectorgerd.bouillon@t-online.de
senderwww.gaga.net
created20060526
modified20170127
projectid53f74266
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II.

Mütterchen hatte alle ihre Gedanken und Sorgen ständig auf mich gerichtet. Ihr Leben floß mit dem meinigen zusammen. Solche Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sind für die Kinder nicht immer nützlich . . . eher sind sie schädlich. Außerdem war ich das einzige Kind meiner Mutter, und einzige Kinder entwickeln sich meistens höchst ungleichmäßig. Bei ihrer Erziehung sind die Eltern gewöhnlich ebensosehr um sich selbst, als um die Kinder besorgt . . . Und das kann unmöglich gut sein. Ich war weder verzogen noch verbittert (beides kommt bei einzigen Kindern vor), doch meine Nerven waren schon im frühen Alter zerrüttet; auch war ich von schwacher Gesundheit, wie die Mutter, der ich auch sonst nachgeraten war. Ich mied die Gesellschaft meiner Altersgenossen und war überhaupt menschenscheu; selbst mit meinem Mütterchen sprach ich sehr wenig. Am meisten liebte ich es, zu lesen, allein spazieren zu gehen und zu träumen, zu träumen! Was der Inhalt meiner Träume war, kann ich kaum sagen: ich hatte manchmal wirklich das Gefühl, als ob ich vor einer halbverschlossenen Türe, hinter der ein Geheimnis verborgen wäre, stände, und wartete, und die Schwelle nicht zu überschreiten wagte, und immer grübelte, was sich hinter der Türe befände – und ich wartete und wartete – oder schlief ein. Wenn in mir eine poetische Ader wäre, so hätte ich gewiß angefangen, Verse zu machen; wenn ich eine Neigung zur Religiosität verspürte, so wäre ich vielleicht Mönch geworden; aber weder das eine, noch das andere war bei mir der Fall, – und so fuhr ich fort, zu träumen – und zu warten.

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