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Einer bläst die Hirtenflöte

Victor Auburtin: Einer bläst die Hirtenflöte - Kapitel 32
Quellenangabe
typesketch
authorVictor Auburtin
titleEiner bläst die Hirtenflöte
publisherHans von Hugo Verlag
editorWilmont Haacke
year1940
correctorreuters@abc.de
senderwww.gaga.net
created20070719
projectidbc5cee8a
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Nach Norden

Wenn der D-Zug, mit dem langsamen Tempo, das sie jetzt haben, durch Schleswig-Holstein nach Norden fährt, so sei dem darin befindlichen Fahrgast geraten, sich inzwischen mit der ringsherum sichtbaren schleswig-holsteinischen Zoologie zu beschäftigen.

Man sieht in dieser Landschaft mehr Milchkühe als Menschen, was der Landschaft nur zum Vorteil gereicht; und man kommt zu der Erkenntnis, daß es nicht an den Kühen liegen kann, wenn die Milch teuer ist.

Bei dieser Gelegenheit muß ich das Geständnis ablegen, daß ich nicht recht weiß, warum man diese Tiere immer ausdrücklich Milchkühe nennt. Was sollen es denn sonst für Kühe sein? Oder gibt es auch Kognakkühe? Dann bedauere ich nur, daß ich noch keiner von ihnen begegnet bin.

Nun wackelt der D-Zug an einer Katze vorüber, die im Grase auf die Jagd geht. Sie wirft uns nur einen kurzen mißbilligenden Blick zu und widmet sich darauf gelassen wieder ihrer Beschäftigung. Ohne Zweifel hat sie in diesem Augenblick gedacht: Muß die Bande gerade jetzt vorbeikommen!

Ich finde es reizend, daß die Züge so langsam fahren. Man hat viel mehr vom Leben.

Da liegt auf der Wiese ein Pferd lang ausgestreckt, als sei es tot. Es ist aber gar nicht tot, es erlaubt sich nur, auch einmal im Liegen zu schlafen wie sonst alle andere Kreatur; und das ist ein Anblick, den man nur zu selten hat und der jedem Herzen wohltun muß. Das Schönste aber daran ist, daß dieses Pferd eine Stute ist und ihr Fohlen bei sich hat. Das Fohlen liegt ebenfalls ausgestreckt an der Mutter und trinkt und schläft zu gleicher Zeit.

Darauf bleibt der Zug auf offener Strecke völlig stehen, entweder weil er die letzten drei Meter schneller gefahren ist, als ihm die Vorschrift erlaubt, oder weil sonst etwas nicht in Ordnung ist. Wir lassen die Fenster herunter, stecken die Köpfe hinaus und werden dabei jetzt erst gewahr, daß während der ganzen Zeit über uns die Lerchen am Werke gewesen sind. Zu Hunderten hängen sie in der Luft, hingerissen von ihrem wilden, süßen, sonnenseligen Gesang, und über die ganze Juniwiesenwelt ist ein goldenes Netz von Klingen und von Lebenslust gespannt.

Wir Fahrgäste aber wenden uns an den Schaffner mit den Worten: Was ist denn das für eine infame Bummelei, daß der Zug hier so lange stehenbleibt!

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