Projekt Gutenberg

Textsuche bei Gutenberg-DE:
Startseite    Genres    Neue Texte    Alle Autoren    Alle Werke    Lesetips    Shop    Information    Impressum
Autoren A-Z: A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | X | Y | Z | Alle
Gutenberg > Max Henning >

Tausend und eine Nacht. Band X

Max Henning: Tausend und eine Nacht. Band X - Kapitel 12
Quellenangabe
type
authorUnbekannte Autoren
titleTausend und eine Nacht. Band X
publisherVerlag von Philipp Reclam jun.
yearo.J.
firstpub1895
translatorMax Henning
correctorJosef Muehlgassner
senderwww.gaga.net
created20150411
projectidbbb389ae
Schließen

Navigation:

Fünfhundertundsiebenundvierzigste Nacht.

Wie nun der Riese auf ebener Erde angelangt war, setzte er sich auf die Steinbank; nach kurzer Zeit erhob er sich jedoch wieder, kam auf uns zu, ergriff mich mitten unter meinen Gefährten, den Kaufleuten, bei der Hand, hob mich hoch vom Boden empor, befühlte mich wie ein Schlächter das Schaf befühlt, das er schlachten will, und kehrte mich dabei wie einen kleinen Bissen in seiner Hand um und um; da er mich jedoch infolge der vielen Aufregungen und den Mühsalen der Fahrt schwach, abgemagert und ohne irgend welches Fleisch an den Knochen fand, ließ er mich wieder aus seiner Hand los und nahm einen anderen meiner Gefährten, welchen er, nachdem er ihn in gleicher Weise wie mich umgekehrt und betastet hatte, ebenfalls wieder losließ; in dieser Weise befühlte er einen nach dem andern von uns und kehrte ihn dabei um und um, bis er an den Schiffskapitän kam, der ein fetter, vierschrötiger, breitschulteriger und strammer Kerl war. Zufrieden mit ihm, packte er ihn, wie der Schlächter das Schlachttier packt, warf ihn auf den Boden und brach ihm durch einen Fußtritt den Nacken, worauf er einen langen Bratspieß holte und ihm denselben durch die Gurgel stieß, daß er ihm zum Rücken herauskam. Hierauf zündete er ein großes Feuer an und setzte den Bratspieß mit dem daran aufgespießten Kapitän über das Feuer, ihn so lange über den Kohlen drehend, bis sein Fleisch geröstet war. Alsdann nahm er ihn wieder vom Feuer herunter, legte ihn vor sich, zerriß ihn, wie man wohl ein Kücken zerreißt, und fraß ihn auf, indem er das Fleisch mit seinen Klauen von den Knochen riß. Als er sein Fleisch verzehrt und die Knochen abgenagt hatte, warf er die wenigen übriggebliebenen Knochen auf die Seite. Dann setzte er sich wieder und legte sich nach kurzer Zeit auf die Steinbank nieder, worauf er einschlief und im Schlaf wie ein Schaf oder ein Stück Vieh mit durchschnittener Gurgel schnarchte; am Morgen erst erwachte er wieder und ging seines Weges.

Als wir uns vergewissert hatten, daß er fortgegangen war, hoben wir an miteinander zu sprechen und klagten, indem wir unser Los beweinten: »Ach, daß wir doch im Meer ertrunken wären oder daß uns die Affen aufgefressen hätten! Das wäre ein leichterer Tod gewesen als hier auf glühenden Kohlen geröstet zu werden. Bei Gott, solch ein Tod ist gemein, jedoch, was Gott will, das geschieht; es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Wir müssen hier elendiglich umkommen, ohne daß irgend jemand etwas von uns erfährt, und es giebt für uns kein Entkommen von diesem Ort.« Hierauf erhoben wir uns und streiften durch die Insel, um uns einen Versteck aufzusuchen oder noch lieber zu entfliehen, da uns der Tod ein leichtes Ding dünkte, wenn wir nur nicht über dem Feuer geröstet würden. Wir fanden jedoch keinen Versteck, und, da auch der Abend uns überfiel, kehrten wir in unserer großen Angst wieder zurück ins Schloß und setzten uns. Nicht lange nachher erbebte mit einem Male die Erde unter uns, und jenes schwarze Ungetüm kam wieder auf uns los und kehrte wie das erste Mal einen nach den andern von uns um und befühlte uns, bis ihm einer gefiel, worauf er ihn packte und mit ihm ganz so wie tags zuvor mit dem Kapitän verfuhr. Nachdem er ihn geröstet und auf der Bank aufgefressen hatte, schlief er wieder die Nacht über und schnarchte dabei wieder wie ein abgeschlachtetes Stück Vieh, um sich dann bei Tagesanbruch zu erheben und, uns wie zuvor verlassend, seines Weges zu gehen. Da rückten wir zusammen und redeten miteinander und sprachen: »Bei Gott, stürzten wir uns ins Meer und fänden wir so den Tod durch Ertrinken, so wäre es besser, als hier gebraten zu werden und auf so abscheuliche Weise umzukommen!« Einer von uns aber sagte nun: »Hört auf meine Worte, meine Brüder; wir wollen einen Plan ersinnen, wie wir ihn umbringen und uns vor dem Kummer und den Moslems vor seiner Tyrannei und Gewaltthätigkeit Ruhe verschaffen.« Da sagte ich zu ihnen: »Hört mich an, meine Brüder; soll und muß er einmal umgebracht werden, so wollen wir zunächst diese Balken und etwas von dem Brennholz zum Strand hinunterschaffen und uns ein Floß bauen; haben wir ihn dann auf irgend eine Weise umgebracht, so wollen wir das Floß besteigen und uns übers Meer treiben lassen, wohin Gott will, oder wollen hier warten, bis ein Schiff an dieser Insel vorüberkommt und uns aufnimmt. Gelingt es uns nicht, ihn umzubringen, so wollen wir trotzdem aufs Meer hinausfahren; sei es auch, daß wir ertrinken und dann wenigstens nicht mehr geschlachtet und über dem Feuer geröstet zu werden brauchen; werden wir gerettet, so werden wir gerettet, und ertrinken wir, so sterben wir als Märtyrer.« Alle erwiderten mir nun: »Bei Gott, der Vorschlag ist gut, und so geschieht's recht;« und so einigten wir uns auf diesen Plan und machten uns sofort an seine Ausführung, indem wir das Holz aus dem Schloß hinausschafften und uns ein Floß bauten, das wir am Gestade festbanden. Nachdem wir dann auch noch etwas Zehrung aufs Floß geschafft hatten, kehrten wir wieder ins Schloß zurück. Gegen Abend erbebte mit einem Male wieder die Erde unter uns, und der Schwarze kam wie ein bissiger Köter auf uns zu, kehrte uns um und um und befühlte einen nach dem andern, worauf er einen von uns packte und mit ihm wie mit den beiden anderen verfuhr. Als er nun nach seinem Mahl auf der Bank dalag und schlief und dabei schnarchte, als ob es donnerte, erhoben wir uns, nahmen zwei von den dort stehenden Bratspießen und hielten sie in starkes Feuer, bis sie rotglühend geworden waren und wie feurige Kohlen leuchteten; dann packten wir sie mit festem Griff, traten an das schwarze, im Schlafe schnarchende Ungetüm heran und bohrten sie in seine Augen, indem wir uns alle aus Leibeskräften gegen sie stemmten, so daß er im Schlaf auf beiden Augen geblendet wurde. Da sprang er mit einem gewaltigen Schrei, vor dem unsere Herzen erbebten, von der Bank auf und suchte uns zu haschen, während wir nach rechts und links auseinanderstoben und uns, wiewohl er uns nicht sehen konnte, da er völlig blind war, mächtig vor ihm fürchteten und, am Entkommen verzweifelnd, in jener Stunde den sichern Tod vor Augen hatten. Währenddem hatte er sich zum Thor getastet und schritt hinaus, wobei er laut schrie, daß die Erde unter uns erbebte und wir vor Grausen erstarrten. Als er das Schloß verlassen hatte, gingen wir ebenfalls hinaus und sahen, wie er fortwährend nach uns suchte. Mit einem Male aber kehrte er mit einem Weib Nach der Breslauer Ausgabe kehrt der Riese mit zwei anderen Riesen wieder, auf die er sich stützt. von noch größerer und entsetzlicherer Gestalt wieder, bei deren Anblick wir in höchster Furcht nun schnell das Floß losbanden und, auf dasselbe springend, vom Rande abstießen, während beide Ungetüme mächtige Felsblöcke nach uns warfen und den größten Teil von uns töteten, bis nur ich nebst noch zwei anderen übrig geblieben war.

 << Kapitel 11  Kapitel 13 >>