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Tausend und eine Nacht. Band X

Max Henning: Tausend und eine Nacht. Band X - Kapitel 27
Quellenangabe
type
authorUnbekannte Autoren
titleTausend und eine Nacht. Band X
publisherVerlag von Philipp Reclam jun.
yearo.J.
firstpub1895
translatorMax Henning
correctorJosef Muehlgassner
senderwww.gaga.net
created20150411
projectidbbb389ae
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Fünfhundertundzweiundsechzigste Nacht.

Hierauf pflogen sie miteinander Rat und sagten: »Wir müssen ihn mit uns nehmen und unserm König vorstellen, damit er ihm sein Abenteuer erzählt.« Alsdann nahmen sie mich und das Floß samt allem Geld und Gut und den Juwelen, Edelerzen und Schmucksachen mit sich und führten mich vor ihren König, dem sie das Geschehene mitteilten. Der König begrüßte mich, hieß mich willkommen und fragte mich, wer ich wäre, was ich triebe und was mir zugestoßen sei; und ich erzählte ihm meine Geschichte und alle meine Abenteuer von Anfang bis zu Ende, worauf er mich in höchster Verwunderung zu meiner Errettung beglückwünschte. Dann erhob ich mich und holte eine große Menge Edelerze, Juwelen, Aloe und rohes Ambra vom Floß als Geschenk für den König, der es von mir annahm und mich mit hohen Ehren auszeichnete. Ich mußte bei ihm im Palast wohnen und verließ ihn nie, die Vornehmen und Großen der Insel verkehrten mit mir und bewiesen mir hohen Respekt, und die Fremden, die jene Insel besuchten, erkundigten sich bei mir nach den Verhältnissen in meiner Heimat, worauf ich ihnen über alles Auskunft gab und dann meinerseits mich nach den Verhältnissen in ihrem Lande erkundigte, und sie mir alles berichteten. Eines Tages nun traf es sich, daß sich der König ebenfalls bei mir nach den Verhältnissen in meiner Heimat und nach der Regierung des Chalifen im Lande der Stadt Bagdad erkundigte, worauf ich ihm seine gerechte Regierung schilderte. Verwundert hierüber, sagte er zu mir: »Bei Gott, des Chalifen Regierung ist klug und löblich und nach dem, was du mir erzählt hast, muß ich ihn lieben; ich will ihm daher ein Geschenk zurüsten und es durch dich an ihn senden.« Ich antwortete: »Ich höre und gehorche, o mein Gebieter, ich will es ihm überbringen und ihm mitteilen, daß du ihn aufrichtig liebst.« So lebte ich bei dem König geraume Zeit in höchsten Ehren und in größtem Ansehen und führte das schönste Leben, als ich eines Tages, als ich im Palast saß, hörte, daß eine Anzahl Kaufleute aus jener Stadt ein Schiff zur Fahrt nach Basra ausrüsteten. Da sprach ich bei mir: »Ich kann nichts besseres thun als mit diesen Leuten mitreisen;« und mich sofort eilig aufmachend, küßte ich des Königs Hand und teilte ihm mit, daß es mein Wunsch wäre, mit jenem Schiff abzureisen, da ich mich nach meinen Angehörigen und meiner Heimat sehnte. Der König antwortete mir: »Du hast zu beschließen; willst du jedoch bei uns bleiben, so sei es, auf Kopf und Auge! denn du bist uns ein lieber Freund geworden.« Da versetzte ich: »Bei Gott, mein Herr, du überhäufst mich mit deiner Huld und Güte, jedoch sehne ich mich nach meinen Angehörigen und meiner Heimat und Familie.« Als er meine Worte vernommen hatte, ließ er die Kaufleute, die das Schiff ausgerüstet hatten, vor sich entbieten und empfahl mich ihnen, worauf er mir reiche Geschenke aus seinem Schatz machte und für mich die Reise bezahlte. Nachdem er mir dann noch ein prächtiges Geschenk für den Chalifen Hârûn er-Raschîd in Bagdad mitgegeben hatte, verabschiedete ich mich von ihm und allen meinen Bekannten, mit denen ich verkehrt hatte, und stieg mit den Kaufleuten an Bord. Gleich darauf segelten wir ab im Vertrauen auf Gott – Preis Ihm, dem Erhabenen! – und Wind und Fahrt waren uns günstig, so daß wir, von Insel zu Insel und von Meer zu Meer ziehend, schließlich mit Gottes, des Erhabenen, Erlaubnis wohlbehalten in Basra anlangten, wo ich das Schiff verließ und mich einige Tage und Nächte aufhielt, bis ich mich zurecht gemacht und meine Lasten aufgeladen hatte. Alsdann zog ich nach Bagdad, der Stätte des Friedens, suchte den Chalifen Hârûn er-Raschîd auf und überreichte ihm das Geschenk, indem ich ihm zugleich alle meine Erlebnisse berichtete. Hierauf brachte ich mein ganzes Hab und Gut in meinen Magazinen unter und suchte mein Quartier auf. Bald darauf kamen meine Angehörigen und meine Freunde zu mir, und ich verteilte unter meiner ganzen Familie Geschenke, teilte Almosen aus und machte Spenden. Nach einiger Zeit schickte der Chalife zu mir und fragte mich nach der Ursache des Geschenkes, das ich ihm überbracht hatte, und woher es sei. Da antwortete ich ihm: »O Fürst der Gläubigen, bei Gott, ich weiß nicht den Namen der Stadt, von der das Geschenk ist, und kenne auch nicht den Weg zu ihr. Als nämlich mein Schiff untergegangen war und ich mich auf eine Insel gerettet hatte, machte ich mir ein Fahrzeug und ließ mich in ihm auf einen Fluß mitten auf der Insel stromabwärts führen.« Hierauf erzählte ich ihm meine abenteuerliche Fahrt auf dem Fluß, bis ich zu jener Stadt gelangte, und meine Erlebnisse daselbst sowie die Veranlassung der Übersendung des Geschenkes. Der Chalife war über meine Geschichte aufs äußerste verwundert und befahl den Chronisten sie aufzuschreiben und sie als Lehre für alle, die sie lesen, in seine Schatzkammer zu legen. Mit hohen Ehren von ihm ausgezeichnet, lebte ich dann wieder in Bagdad so wie in früherer Zeit und hatte bald in einem Leben voll lauter Lust und Fröhlichkeit alle meine Leiden und Drangsale gänzlich vergessen. Solches, meine Brüder, sind die Abenteuer meiner sechsten Reise, und, so Gott will, der Erhabene, erzähle ich euch morgen die Geschichte meiner siebenten Reise, welche noch wunderbarer und merkwürdiger ist als meine früheren Reisen.«

Hierauf ließ er die Tische auftragen, und, nachdem seine Gäste das Abendessen bei ihm eingenommen hatten, befahl er, Sindbad dem Lastträger wieder hundert Goldmithkâl einzuhändigen. Alsdann gingen die Gäste, höchlichst verwundert über die Geschichte, die sie vernommen hatten, heim, und Sindbad der Lastträger trollte sich ebenfalls mit seinem Geschenk. Die Kalkuttaer Ausgabe der ersten zweihundert Nächte ist hier bei weitem ausführlicher. Sie schildert nicht nur die Insel so genau, daß wir in ihr Ceylon erkennen, sondern giebt auch ihren Namen Sarandîb an. Der Passus lautet: »Nun liegt aber die Insel Sarandîb unter dem Äquator, so daß Tag und Nacht auf ihr beide zwölf Stunden zählen. Sie mißt achtzig Parasangen in der Länge bei einer Breite von dreißig und ist in der Breite von einem hohen Berg und einem tiefen Wadi begrenzt. Der Berg ist in einer Entfernung von drei Tagen sichtbar, und viele Rubine und andere Mineralien finden sich dort, sowie Gewürzbäume allerlei Art. Die Oberfläche der Insel ist mit Schmirgel bedeckt, womit Edelsteine geschnitten und geformt werden; Diamanten liegen in den Flüssen und Perlen in den Flußthälern. Ich bestieg jenen Berg und erfreute mich durch den Anblick der unbeschreiblichen Wunder der Insel, worauf ich zum König zurückkehrte.
Ferner schreibt der König von Sarandîb an Harûn er-Raschîd einen Brief auf Châwipergament (welches feiner als Lammpergament und von gelber Farbe ist), mit Ultramarintinte, folgenden Inhalts: Auf dich komme der Salâm von dem König von Indien, vor welchem tausend Elefanten sind, und auf dessen Palastzinnen tausend Edelsteine schimmern. Des Ferneren – Lob sei Gott und Preis seinem Propheten! Wir senden dir eine winzige Gabe, die du belieben mögest anzunehmen. Du bist uns wie ein Bruder und ein treuer Freund, und groß ist die Liebe, die wir zu dir im Herzen tragen; beehre uns deshalb mit einer Antwort. Die Gabe schickt sich nicht für deine Würde, jedoch bitten wir dich, o unser Bruder, du wollest sie huldvollst annehmen, und Frieden sei auf dir!
Das Geschenk bestand aus einem Becher aus Rubin, eine Spanne hoch und eine Fingerlänge breit, welcher im Innern mit kostbaren Perlen besetzt war; ferner aus einem Bett, bedeckt mit der Haut jener Schlange, die Elefanten verschluckt, deren Haut Flecke von der Größe und Farbe eines Dinars hat und jeden, der auf ihr sitzt, vor Krankheit schützt; ferner hunderttausend Mithkâl indischer Aloe und dreißig Kampferkörner, von denen jedes die Größe einer Pistazienfrucht hatte, und eine Sklavin mit voller Ausstaffierung, ein reizendes Geschöpf gleich dem leuchtenden Mond.
Nachdem Sindbad das Schreiben Hârûn er-Raschîd überreicht und dieser es gelesen hat, fragt er ihn: »Sindbad, ist das wahr, was der König schreibt?« Sindbad antwortet: »O mein Herr, ich sah in seinem Königreiche viel mehr als er geschrieben hat. Bei Staatsprozessionen wird ein Thron für ihn auf einen riesigen Elefanten gestellt, elf Ellen hoch, auf welchem er sitzt, während die Großen seines Reiches, die Beamten und Gäste zu seiner Rechten und Linken in zwei Reihen stehen. Vor ihm steht ein Mann mit einem goldenen Speer und hinter ihm ein anderer mit einer großen Keule aus Gold, deren Knauf von einem Smaragd von einer Spanne Länge und eines Mannesdaumens Dicke gekrönt ist. Und wenn er zu Pferd steigt, steigen tausend Reisige in Seide und Goldbrokat zugleich mit ihm auf; und wenn der König einherzieht, schreitet ihm ein Mann voraus und verkündet: »Dies ist der König, reich an Macht und Herrlichkeit!« Hierauf lobpreist er ihn mit Worten, die ich nicht behalten habe, und schließt seine Lobrede mit den Worten: »Dies ist der König, der eine Krone trägt, wie ihresgleichen weder Salomo noch der Mihrâdsch (= Maharadscha) je besaß.« Dann verstummt er, worauf einer hinter ihm anhebt und ruft: »Er muß sterben, und wieder sag' ich: Sterben muß er!« Und der andere setzt hinzu: »Preis dem Lebendigen, der nimmer stirbt!« Ferner giebt es wegen seiner Gerechtigkeit, seiner trefflichen Regierung und Einsicht keinen Kadi in seiner Stadt, und alle seine Unterthanen unterscheiden wahr und falsch.« Da rief der Chalife: »Wie groß ist dieser König! Sein Brief hat es mir gezeigt, und was seine Macht und Herrlichkeit anlangt, so hast du uns erzählt, was du mit eigenen Augen geschaut hast. Bei Gott, er ist ebenso mit Weisheit wie mit weiter Macht begabt!«

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